Der Gesetzgeber hat mit den §§ 291a ff SGB V vor über 17 Jahren die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Digitalisierung der Medizin geschaffen. Zur selben Zeit wurde auch die gematik GmbH (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH) in Berlin von den Spitzenorganisationen des deutschen Gesundheitswesens (darunter unter anderem die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der Krankenkassen) geschaffen, die die Voraussetzungen für den Einsatz der elektronischen medizinischen Anwendungen schaffen soll um die Medizin digitaler zu machen.

Was ist das Ziel der Digitalisierung in der Medizin?
Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Patientendaten und die Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren im Gesundheitsbereich (z.B. Hausarzt, Fachärzten, Apotheken, Krankenhäusern, Rettungsdienst) sowie die Übermittlung medizinischer Daten soll durch neue elektronische medizinische Anwendungen verbessert, beschleunigt und durch die Nutzung moderner Verschlüsselungsverfahren insgesamt sicherer gemacht werden.

Was für medizinische Anwendungen soll es geben?
Die elektronischen Anwendungen die wesentlich zur Digitalisierung beitragen sollen sind das Notfalldatenmanagement, die elektronische Patientenakte, die Videosprechstunde und ein sicherer Kommunikationsdienst im medizinischen Bereich der irgendwann das Fax ersetzen soll. Darüber hinaus sollen medizinische Dokumente (z.B. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Überweisungen, Rezepte, Reha-Anträge, usw.) nicht mehr auf Papier dem Patienten mitgegeben oder an andere Gesundheitseinrichtungen per Post verschickt werden, sondern papierlos, möglichst in Echtzeit und verschlüsselt, direkt an die entsprechenden Empfänger übermittelt werden.

Was ist das elektronische Notfalldatenmanagement?
Im Rahmen des Notfalldatenmangements können bereits heute in den meisten Hausarzt- und Facharztpraxen notfallrelevante medizinische Daten (z.B. Allergien, Medikamente, Erkrankungen, Notfallkontakte, behandelnde Ärzte, Herzschrittmacher, Implantate, usw.) auf der Gesundheitskarte des Patienten gespeichert werden. Kommt ein Patient in ein Krankenhaus oder wird dieser vom Rettungsdienst, Notarzt oder Bereitschaftsarzt aufgefunden kann dieser, soweit er über die notwendige Technik zum Auslesen des Notfalldatensatzes verfügt, unmittelbar auf zusätzliche Informationen (z.B. Medikamente, Erkrankungen, Allergien, usw.) zugreifen. Dies soll die medizinische Erstversorgung verbessern und die Aufnahme im Krankenhaus (z.B. Übernahme Medikationsplan, Allergien, Vorerkrankungen, Schrittmacher) vereinfachen.

Was ist die elektronische Patientenakte?
In der elektronischen Patientenakte sollen in den kommenden Jahren alle medizinischen Daten eines Patienten (z.B. Arztbriefe, bildgebende Befunde, Laborwerte, Impfpass, Mutterpass, usw.) gespeichert werden können.

Was ist der Kommunikationsdienst KIM?
Der Kommunikationsdienst KIM, die Abkürzung steht für Kommunikation im Gesundheitswesen, kann von vielen Arztpraxen bereits genutzt werden und soll zukünftig die gesamte Kommunikation im Gesundheitswesen (z.B. Fax, E-Mail, Briefe, usw.) ersetzen und unter Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur und der Nutzung moderner Verschlüsselungsverfahren deutlich sicherer gestalten. Funktional kann er mit einem sicheren E-Mail-Anbieter verglichen werden über den alle Akteure des Gesundheitswesens (Niedergelassene Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen, usw.) miteinander kommunizieren (Fallbesprechung) und medizinische Daten (z.B. Arztbriefe, Überweisungen, Rezepte, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, stationäre Einweisungen, Reha-Anträge, usw.) übermitteln können.

Was ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung?
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ersetzt in den meisten Praxen bereits seit 2022 den Krankenschein aus Papier. In der Regel erhält nur der Versicherte eine ausgedruckte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Die elektronische Version wird unmittelbar an die Krankenkasse übermittelt. Der Arbeitgeber kann diese dann abrufen. Das Versenden oder abgeben der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber und der Krankenkasse ist nicht mehr notwendig. Berücksichtig werden muss hier aber, dass dies nur die gesetzlichen Krankenkassen betrifft und das das eAU-Verfahren bei einigen Krankenkassen noch nicht etabliert wurde.

Was ist das elektronische Rezept?
Das elektronische Rezept (eRezept, eVerordnung) soll ab 2024 das Rezept aus Papier nach und nach ersetzen. Einige Arztpraxen und Apotheken in Testregionen können bereits eRezepte ausstellen. Eingelöst werden kann es in der Apotheke über eine bereits erhältliche Handy-App oder zukünftig mittels der Gesundheitskarte. Übergangsweise bleibt das papiergebundene Rezept aber erhalten. Berücksichtigt werden muss hier aber, dass dies nur die gesetzlichen Krankenkassen betrifft. Offen ist auch wann auch Hilfsmittel- und Betäubungsmittelrezepte elektronisch ausgestellt werden können.

Was ist die Videosprechstunde?
Über Videosprechstunden können bereits heute viele Ärzte und Psychotherapeuten ergänzende Sprechstunden anbieten. Arzt und Patient benötigen dafür nur einen Monitor, Notebook, Fernseher oder Handy mit Kamera, Mikrofon und Lautsprecher sowie eine Internetverbindung. Die Videosprechstunde kann insbesondere bei langen Anfahrtswegen, bei älteren immobilen Patienten, bei Patienten nach Operationen und bei Patienten mit bestimmten psychiatrischen Erkrankungen die medizinische Versorgung ergänzen, vereinfachen und verbessern.

Was benötigt die Arztpraxis um diese neuen elektronischen Anwendungen zu nutzen?
Damit diese neuen elektronischen medizinischen Anwendungen in der Allgemeinarztpraxis und in Krankenhäusern genutzt werden können, sind aufgrund der bestehenden gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere des Datenschutzes und der Datensicherheit besondere Hardwarekomponenten (z.B. Konnektor, Kartenlesegeräte, usw.) sowie softwareseitige Anpassungen an den Praxis- und Krankenhausverwaltungssystemen notwendig. Als digitale Unterschrift des Arztes werden qualifizierte Signaturverfahren genutzt. Dafür benötigen die Ärzte und Institutionen (z.B. Arztpraxis, Krankenhaus, usw.) gesonderte Ausweise (z.B. elektronischer Arztausweis, Instutionsausweis).

Kann jede Arztpraxis und jedes Krankenhaus die neuen elektronischen Anwendungen nutzen?
Nach nunmehr über 17 Jahren Entwicklungszeit werden in den kommenden Jahren nahezu alle Allgemeinarztpraxen und Krankenhäuser mit der notwendigen Hard- und Software, zur Nutzung der neuen elektronischen medizinischen Anwendungen ausgestattet werden. Viele Praxen können einzelne Anwendungen (z.B. Notfalldatenmangement, KIM, eAU, eRezept) bereits nutzen. Insgesamt gab und wird es auch in den nächsten Jahren aber immer wieder Verzögerungen geben. Dies liegt vor allem an der Komplexität der für die Nutzung der elektronischen Anwendungen genutzten Hard- und Software, immer wieder verzögerter Bereitstellung der technischen Systeme, der heterogenen IT-Ausstattung in den Arztpraxen und Krankenhäusern, Problemen bei der Installation und Anbindung, immer wieder auftretenden Software- und Verbindungsfehlern, teilweise benutzerunfreundlicher Anwendung der Software, negativer Beeinflussung oder Behinderung der Praxisabläufe, Widerstand vieler Ärzte und immer wieder schlechte Pressemeldungen. Prognostisch werden sich die meisten dieser Probleme mit den Jahren aber nach und nach durch Softwareupdates, Reduktion von Hardwarekomponenten und Vereinfachungen der Abläufe lösen.

Was ändert sich an der medizinischen Versorgung?
Die Vorteile im Alltag liegen auf der Hand. Ob in der Praxis, im Krankenhaus, im Rettungswagen, im Notarzteinsatzfahrzeug, bei Hausbesuchen, im Pflegeheim oder bei Leichenschauen kann der Arzt auf deutlich mehr medizinische Daten zugreifen, die dazu zeitlich fast in Echtzeit nun deutlich sicherer übermittelt werden können. Insbesondere dieser Aspekt kann, wenn die Daten übersichtlich strukturiert sind, technisch verfügbar sind und jederzeit übertragen werden können, dazu beitragen die medizinische Versorgung zu verbessern. Darüber hinaus wird der Papierbedarf deutlich reduziert. Zeitraubende Alltagsaufgaben wie Befunde anfordern, Drucken, Scannen, Archivieren und Faxen werden auf ein Minimum reduziert, dadurch bleibt mehr Zeit für den Patient. Die strukturierte Aufarbeitung der erfassten Daten kann, soweit die Patienten zur pseudonymisierten Nutzung ihrer Daten zustimmen, die medizinische Forschung voranbringen.

Von mehrlich

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